Drei Jahre nach der Legalisierung von Cannabis hatte die Regierung Uruguays noch vor wenigen Monaten angekündigt, in Kürze mit dem staatlich kontrollierten Verkauf zu beginnen. Die erste Ernte ist schon eingefahren und eigentlich sollten die Hanfblüten bereits mithilfe der 1.100 Apotheken des Landes an erwachsene Konsumenten abgegeben werden, aber… Hier mehr zu den Hintergründen.

Apotheken wollen nicht mit Cannabis dealen

Die Abgabe der Hanfblüten sollte natürlich unter strengen Auflagen und außerdem zu einen vorgegebenen Preis von ungefähr einem Euro erfolgen. Der Verkaufspreis wird so niedrig angesetzt, weil man sich erhofft, so den Schwarzmarkt auszutrocknen. Die maximale Menge, die man laut Gesetz 19.172 als registrierter User kaufen darf, läge den Regierungsplänen zufolge bei 40 Gramm im Monat. Doch auch Anfang 2017 zufolge müssen sich Uruguays Cannabis-Fans weiter in Geduld üben, bis sie legal einkaufen dürfen.

Die Administration von Präsident Vázquez hat erklärt, den für Januar angekündigten Verkauf auf ein unbestimmtes Datum in diesem Jahr zu verschieben. Der Hauptgrund hierfür ist, dass sich bislang nur rund 50 Apotheken bereit erklärt hatten, Cannabis zu verkaufen. Ändert sich das nicht bald, wäre das im Gesetz verankerte, landesweite Abgabesystem, grundsätzlich in Frage gestellt. Doch Uruguays Apotheken wollen sich von der Regierung nicht zwingen lassen, Cannabis zu verkaufen.

Der Apothekenverband des Landes (AQFU) hat sich mehrfach gegen den Verkauf von Cannabis zu nicht medizinischen Zwecken ausgesprochen. Das sei unethisch, führe die Öffentlichkeit in die Irre und stelle den Ruf der Apotheken als Gesundheitszentren grundsätzlich in Frage, erklärte AQFU-Sprecher Dr. Eduardo Savio. Neben den ethischen Bedenken scheinen die Apotheken auch die illegale Konkurrenz zu fürchten. „Ich möchte keinen Ärger mit denen, die hier im Viertel Cannabis verkaufen, bekommen“, so Apothekenbesitzer Marcelo Trujillo in einem Interview mit „The Cannabist“.

Cannabis zu Genusszwecken

Die Regierung hat bereits bekannt gegeben, dass die Nachfrage bei Cannabis zu Genusszwecken ihren Schätzungen zufolge 26,5 Tonnen pro Jahr beträgt, wobei man bei dieser Schätzung von knapp 60.000 regelmäßigen und nicht ganz 100.000 Gelegenheitskonsumenten ausgeht. Um deren Bedarf zu gewährleisten, soll jede Apotheke, die eine Verkaufslizenz hat, zwei Kilo Cannabis bevorraten. Das wieder löst bei den Betreibern zusätzliche Sicherheitsbedenken aus, weil sie fürchten, so Opfer von Überfällen oder Einbrüchen zu werden.

Von 20 Firmen die sich um eine Anbau-Lizenz beworben hatten, haben die „International Cannabis Corporation“ (ICC) und „Symbiosis“ den Zuschlag erhalten. Doch auch auf der ICC-Seiten sucht man bislang vergeblich nach lizenzierten Endverkäufern, die etwas von den bisher insgesamt zwei produzierten Tonnen verkaufen.

Um Schwarzmarkt-Ware zukünftig besser identifizieren zu können, dürfen beide Firmen bislang nur eine Sorte anbauen, die nach Angaben der Cannabis-Agentur (Instituto de Regulación del Cannabis – IRCCA) bei eventuellen Tests von illegaler Ware unterschieden werden könne. Auch gibt es bislang nicht einmal ein gesondertes medizinisches Cannabis-Programm, das speziell für die skeptischen Apotheken unproblematischer wäre. Die einzigen Möglichkeiten für Uruguays geschätzte 160.000 Cannabis-Konsumenten sowie -Patienten, drei Jahre nach der Legalisierung an legale Blüten zu kommen, ist der Anbau zu Hause oder die Mitgliedschaft in einem der zahlreichen Cannabis Social Clubs. Ein Club in Uruguay darf höchstens 99 Mitglieder haben, um nicht kommerziell unterwandert zu werden. Für erwachsene Einzelpersonen ist der Anbau von bis zu sechs Pflanzen, deren Ernte maximal 480 Gramm betragen darf, legal.

66 Prozent Cannabis kommen auch heute noch vom Schwarzmarkt

In Uruguay stammen immer noch zwei Drittel des verkauften Cannabis vom Schwarzmarkt. Das beweisen die aktuellen Beschlagnahmungszahlen, deren Menge seit der Legalisierung bis 2016 nach Angaben des Innenministeriums zufolge um über 150 Prozent gestiegen sind.

Neuste Ergebnisse einer Studie, die bei Inkrafttreten der Legalisierung von der Regierung in Auftrag gegeben wurde, bestätigen, dass Schwarzmarktware in Uruguay der Studie zufolge „[…] von geringer Qualität ist und einen hohen Blatt- sowie geringen Blüteanteil hat. Es wird meist im Osten Paraguays angebaut und ‚Press- Paraguayan‘ genannt, da es gepresst wird, um ins gesamte Silver River-Becken, das Teile von Argentinien, Brasilien und Uruguay umfasst, geschmuggelt und verkauft zu werden. Der Preis für ein Gramm oder eine ‚Palanca‘ auf dem Schwarzmarkt kann zwischen 15 und 50 Uruguayische Pesos (50 Cent bis 1,60 Euro) liegen, während 10 Gramm etwa 200 Pesos (7 Euro) kosten können. Hochwertige Hanfblüten können jedoch bis zu 600 Pesos (20 Euro) pro Gramm kosten“.

Angesichts dessen fragen sich Beobachter, wie zukünftig hochwertiges Cannabis für den gleichen Preis wie die billige Schwarzmarkt-Ware aus Paraguay angeboten werden kann. Denn selbst in einem Land mit niedrigen Strom- und Personalkosten ist der von der Regierung angepeilte Preis von circa einem Dollar pro Gramm ein echter Kampfpreis für Cannabis, das kontrolliert, standardisiert, ohne Pestizide oder Fungizide angebaut sowie gehandelt werden soll, und allein deshalb ziemlich unrealistisch. Kürzlich wurde öffentlich, dass der für die erste Ernte angekündigte Verkaufspreis von 1,17 Euro nicht einmal die Transportkosten der Hersteller abdeckt, da die Apotheken 90 Cent pro Gramm bekommen sollen.

Die einzigen, die bisher von der Regierungspolitik profitiert haben, sind die 5.000 kleinen Grower und die 1.000 Mitglieder von Cannabis-Clubs, die sich bei der Cannabis-Agentur registriert haben. Doch auch hier ist die Grauzone riesig, hat die Studie doch festgestellt, dass sich bisher nur ein ganz kleiner Teil aller Eigenbedarfs-Grower registriert hat und viele Konsumenten gar nicht am zukünftigen Apotheken-Verkauf, für dem man sich registrieren lassen muss, teilnehmen wollen.

Der Masterplan fehlt immer noch

Alt-Präsident Mujica hat mit seinem mutigen Schritt 2013 ein wichtiges Zeichen gesetzt, ohne sich um die ökonomischen und gesellschaftlichen Konsequenzen große Gedanken zu machen. Es war eher ein politisches Zeichen, weil Mujica den Drogenkrieg als eines der größten Übel der Gegenwart ansieht. Sein Nachfolger Vásquez ist kein ausgesprochener Freund der neuen Politik, setzt sie aber nolens volens und deshalb wohl auch sehr langsam um.

Leider vermischt das geplante System die medizinische Abgabe äußert unglücklich mit dem Verkauf von Cannabis zum Freizeitkonsum. Der Verkauf ist zudem überreguliert, beschneidet durch die zwangsweise Registrierung persönliche Freiheiten von Konsumenten, die Preispolitik erinnert an einen sozialistischen fünf-Jahres Plan der DDR, die Sortenvielfalt ist aufgrund der vorgeschriebenen Mono-Strain Kultur nicht annähernd gewährleistet und die Gesetze des freien Marktes werden so komplett ausgeschaltet. Wenn Uruguay Details des Gesetzes nicht überdenkt, medizinisches Cannabis über Apotheken vertreibt und für den Rest lizenzierte Fachgeschäfte zulässt, wird es auch vier oder fünf Jahre nach der Legalisierung noch eine große Grauzone sowie einen lukrativen Schwarzmarkt geben.

Kurz nach der Legalisierung hatte man 2014 angekündigt, übergangsweise Cannabis aus Kanada zu beziehen, ohne jedoch mit der kanadischen Cannabis-Agentur überhaupt geredet zu haben. Nachdem der Plan nicht aufging, sollte das Militär Hanf anbauen, was auch nicht funktioniert hat. Der Apothekenverband hatte jüngst die geniale Idee, Cannabis aus Sicherheitsgründen auf Polizeistationen zu verkaufen. Da stellt sich die Frage, was als nächstes kommt. Die Feuerwehr, der örtliche Schützenverein, die Eckkneipe oder vielleicht der nächste Heilpraktiker? Dabei ist es doch gar nicht so schwer, ein paar seriöse Geschäftsleute zu finden, die Cannabis gerne gesetzestreu und unter bestmöglichen Jugendschutz- sowie Sicherheitsvorkehrungen verkaufen möchten. Die lassen ihr Geschäftsmodell sogar gerne staatlich überwachen und arbeiten transparenter als viele Behörden, wie mehr als eine Handvoll Bundesstaaten der USA oder auch die Städte Vancouver oder Toronto in Kanada beweisen.

Geht es in Montevideo so weiter wie bisher, wird die Legalisierung in Uruguay nicht den erhofften, internationalen Vorbildcharakter haben, den sich 2013 alle vom ersten Land mit legalen Cannabis erhofft hatten. Ein Blick nach Kanada wäre da äußert hilfreich, hat man dort doch erkannt, dass eine gut durchdachte Legalisierung ziemlich aufwendig und nur umsetzbar ist, wenn man schon einen gut ausgearbeiteten Plan in der Schublade hat. Sonst verschwindet Cannabis vom Schwarzmarkt nur, um die nächsten Jahre in einer spärlich kontrollierten Grauzone gehandelt zu werden und so weiterhin steuerfreie Profite zu ermöglichen.

Micha

Michael Knodt wurde in Nordhessen geboren und lebt seit 1990 in Berlin. Er studierte zunächst Geschichte und Journalistik, absolvierte anschließend eine Ausbildung zum Zimmermann und reist seit dieser Zeit regelmäßig in Hanfanbau-Länder wie Jamaika oder Marokko. Seit 2004 arbeitet er als freier Mitarbeiter für deutschsprachige Hanf-Zeitschriften und leitete die Redaktion des Hanf Journals als Chefredakteur von 2005 bis 2013. Zur Zeit schreibt der zweifache Vater für zahlreiche deutsch- und englischsprachige Publikationen und ist Kopf sowie Moderator des beliebtesten deutschen Sendung zum Thema Hanf und dessen Verbot, exzessiv.tv.